Eine Sache wollte ich unbedingt noch machen, bevor wir im Sommer Singapur verlassen. Der Termin stand schon Anfang letzten Jahrs in meinem Kalender war jetzt war es endlich soweit. Ich konnte Thaipusam* erleben, das wichtige Hindufest, das man hier feiern darf, obwohl es allgemein und im besonderen im Ausland mit großer Skepsis gesehen wird. Natürlich gibt es, wie könnte es in Singapur anders sein, auch hier Auflagen: Man darf z.Bsp. keine Kokosnüsse zum Anhängen verwenden (nur Milchtöpfchnen und Zitronen) und gruselige Gesichter ziehen ist auch nicht erlaubt, wie es sonst üblich ist, wenn Teilnehmer in Trance fallen, die Zunge herausstrecken und die Augen verdrehen. Allerdings weiß ich nicht, wie dieses Vergehen kontrolliert werden könnte. Vor nicht langer Zeit war das Herumschreien und Krachmachen, das der moralischen Unterstützung der „Leidenden“ dienen soll, auch verboten, das darf man aber wieder:
Wenn es voll und eng ist gruselt es mich und so war es eine Herausforderung sich in den Tempeln ins Getümmel zu stürzen. Tief durchatmen und los. Ich rempelte mich durch und schwitzte vor mich hin … und es hat sich gelohnt. Ich sah Hingabe, Tränen, Freude. Fasziniert betrachtete ich Männer und Frauen (die pieksen sich aber nur die Backen und die Zunge), die sich selbst kasteiten. Die Bilder, die ich zuvor gesehen hatte, fand ich eigentlich abstoßend. Wie konnte man das nur machen? Während des Dabeiseins jedoch empfand ich keinerlei Abscheu mehr. Das war keine grausame Veranstaltung der Selbstverstümmelung mehr, sondern Familienfest, Mutprobe, Extase, Freude und auch Mitleid wurden hier auf erstaunliche Weise verknüpft. Zwischen den Gläubigen stapften wir Touristen fröhlich herum und fotografierten. Das war mir etwas unangenehm, aber uns wurde explizit gesagt, das Fotografieren erwünscht sei: Stolz präsentierten sich die Teilnehmer mit Ihren Tragegestellten, die im Hüftspeck festgeschraubt waren. Unglaublich. Warum kein Blut zusehen ist? Ich habs nicht herausfinden können. Wohl hat man es hier geschafft: Inhale peace – exhale joy!
* Thaipusam: https://de.wikipedia.org/wiki/Thaipusam