Universum Haw Par

An vielen Orten in Singapur lässt es sich in andere Welten eintauchen: In Gärten und Parks versinkt man in tropischem Gezwitscher und sattem Grün, Downtown darf man aufdrehen und sich durch urbanes Gewusel kämpfen und in Hawker Centern lässt sich eine völlig neue Esskultur erschmecken und ausprobieren … Wer allerdings den „Haw Par Villa Park“ betritt, findet sich in einem anderen Universum wieder.

In der Nähe der Westcoast Singapurs, auf einem Hügel in Pasir Panjang, hat diese sonderbare Parkanlage eine eigens nach ihr benannte MRT-Station innerhalb der Circle Line. Der U-Bahn entstiegen gehen wir an einem merkwürdig amorph bemalten Hang entlang, eine riesige Tiger- und eine Drachenfigur besetzen ihn und ein roter Backsteinweg führt uns weiter hinauf durch ein großes Tor – überall Tigerfiguren, eisenverzinkt am Tor, versteckt hinter grünen Blättern, scheinbar bereit zum Sprung. Das verwundert aber nicht, denn der Park ist auch unter dem Namen“ Tiger Balm Garden“ bekannt und wurde, wie wir natürlich bereits vorher gelesen haben, von einem Burmesen namens Aw Boon Haw gestaltet, der die berühmte Heilsalbe gemeinsam mit seinem Vater erfand.

Ursprünglich als Domizil für Aw Boon Par, den jüngeren Bruder Aw Boon Haws gedacht, wurde es jedoch schon bald ein öffentlicher Park, der nun den Namen der Beiden trägt. 1937 entstand die Anlage, die zwar liebevoll gepflegt ist, jedoch trotzdem mit einem gewissen morbiden Charme gesegnet ist. Wir tauchen ein in die Welt, pardon, das Universum zweier Brüder, die zwei Dinge bei der Gestaltung des Gartens im Sinn hatten: Sich selbst ein begehbares Denkmal zu schaffen und … Geschichten zu erzählen. Über 1000 Einzelstatuen von winzigklein bis riesengroß und detailliert ausgearbeitete Reliefs aus bunt bemaltem und irre geformtem Gipsgemisch zeigen die Welt chinesischer Mythen, seiner Götter, Legenden, Märchen und Helden. Okay, die Freiheitsstatue am künstlich angelegten Schildkrötensee verwirrt, aber das tut auch der nachgestellte Verkehrsunfall am Schluss der Laster- und Tugenden-Reihe, die minutiös ausgearbeitet an der Seite einer Rasenfläche zu sehen sind, auf der, ja auch das merkwürdig, Kiwis laufen, Kröten auf Straußen reiten und Koalabären in den Bäumen sitzen …

Bunt, kitschig, absurd und seltsam – das sind nur einige Attribute, um diesen Ort zu beschreiben. Letzteres liegt aber nicht nur an den Figuren und der Künstlichkeit des Parks. In der Hitze Singapurs, die sich zwischen den Figuren staut, ertönt verzerrte Musik, die einen durch den ganzen Park zu verfolgen scheint. Das können dann auch schonmal Charlestonsongs aus den Zwanzigern sein, was die Absurdität des Ganzen nur noch verstärkt. Außer ein paar Kindern, die laut schreiend herumrennen, scheint die Zeit stillzustehen. Nur schleichend bewegen wir uns fort und fürchten, setzten wir uns hin, würden wir ebenfalls zu einer der Figuren werden, und, ohne aufzufallen, einfach nur eine weitere Illustration des Seltsamen sein.

Einst waren hier auch Fahrgeschäfte, ein Museum mit einer Jadesammlung der Aw Boon Brüder soll wiedereröffnet werden und die „10 Kammern der Hölle“ sind ebenfalls zu besichtigen. Also, ja, Trubel kann man natürlich auch hier erleben – ohne den gehts ja nicht in Singapur! Es gibt Führungen durch den Park, sowie jeden Freitag Abend die „Journeys to Hell-Tour“. Alle aktuellen Infos und Kosten zu Touren und Events (Auch heiraten kann man hier …) gibts auf zwei Websiten: www.hawparvilla.sg/ oder https://hawparvilla.weebly.com/

Das Besucherzentrum ist zum Teil geschlossen. Ein Lädchen davor verkauft jedoch Getränke und Souvenirs. Um mit Zeit und Muße dieses Kultstück nachhaltig in seine Erinnerungen aufzunehmen, empfehle ich dringend wochentags zu vorbeizuschauen.

Eintritt in den Park ist kostenfrei
Öffnungszeiten 9.00am – 7.00pm (Letzter Einlass 6pm)
262 Pasir Panjang Road, Singapore 118 628
MRT Har Paw Villa (Circle Line)