Leyla heißt „Nacht“

Wieder aus dem Oman zurück waren der Sohn und ich gestern bei einem Sohour in unserem Compound eingeladen, dem Fastenbrechen am späten Abend, idealerweise kurz vor der Morgendämmerung, in diesem Fall jedoch ab 21 Uhr bis Mitternacht, sonst ist es halt doch arg spät … Ein riesiges Buffet war aufgetischt: Humus, Baba Gonoush, Taboulet, Fatoush, Lamm in allen erdenklichen Variationen: im Teigmantel, Kibeeh, als Zucchini-Füllung, als Hackstange, als Shish Kebab, Hühnchen, Fisch und Getränke von Cola bis frischgepresstem süüüüßem Dattelsaft.
Leider konnten weder ich noch der Sohn sonderlich viel von dem Dargebotenen zu uns nehmen. Beide entwickeln wir uns hier langsam zu Vegetariern, denn Lamm ist einfach nicht unser Ding* und bei den Hühnchen weiß man definitiv nicht, woher sie kommen und wie sie gehalten werden. Nicht pfleglich, ist anzunehmen. Tiere,  – außer wohl den segenbringenden Kamelen – werden als reine Nahrungsmittel, Geldbringer oder Unterhaltung betrachtet. Wie es ihnen dabei ergeht, ist ziemlich wurscht.
Also wars doch wieder der Kichererbsen-Humus, der uns sattgemacht hat. Der Sohn hat dafür, genau wie ich, eine Vorliebe entwickelt und das Zeug ist leider etwas fett, aber auch wirklich scheißgut!

Dieser gestrige Fastenbrech-Abend liegt genau in der Mitte des Ramadan und bald beginnen die letzten 10 Tage, eine wichtige Zeit innerhalb des heiligen Monats. Man erwartet die „Leyla Al-Qadr“, die „Nacht der Macht“, die „gesegnete Nacht“, die „Nacht der Bestimmung“, in der der islamische Glauben seinerzeit erstmals offenbart wurde. Der Muslim betet intensiver, manche gehen auch in eine Art Klausur, die „I’tikâf“, denn wer in dieser Nacht besonders in sich geht und betet erhält eine 1.000 höhere Belohnung als in anderen Nächten. Wann genau diese Nacht** innerhalb der zweiten Hälfte des Ramadan ist, weiß jedoch niemand. Man weiß nur, dass Sie an einem ungeraden Datum sein muss. Da der Tag jeweils mit dem Sonnenuntergang beginnt, kann es sich also nur um die Nacht handeln, die entweder den 21., 23., 25., 27., oder 29. Ramadan einleitet.

Unsere Oman-Reise, dessen schöner Abschluss dieser Sohour bildete, war ausnehmend beeindruckend. Ausgesucht hatten wir uns den Nordzipfel des Oman, „Musandam“, ein Teilstück, getrennt vom restlichen Oman durch einige Kilometer Vereinigte Arabische Emirate. Es begrenzt im Norden die Straße von Hormus*** und genau deswegen existiert dieses strategisch wichtige Landstückchen noch als dem Oman zugehörig. Begehrt wir es umso mehr vom gegenüberliegenden Iran und auch von den Emirates, die den Oman in zwei Hälften trennen.

hormus 2

Musandam ist so gut wie leer (Ich konnte mein Arabisch entsprechend nicht anwenden!). An der Westküste gibt es größere Dörfer, im Gebirge selbst, in dem wir waren, existieren vereinzelt kleine Häuseransammlungen. Nur an den Wochenenden sind sie von den Besitzern der unglaublich vielen Ziegen dort bewohnt. Sie kümmern sich um die Versorgung der Tiere und verlassen die Berge wieder. Wasser und Baumaterial werden von der Regierung mit Helikoptern zu den entlegenen Siedlungen transportiert (man ist bemüht diese Menschen zu unterstützen, damit dieser Teil des Oman bewohnt bleibt, denn sonst wäre es um einiges leichter dies strategisch wichtige Zipfelchen „einzunehmen“). Strom gibt es natürlich auch nicht. An den Bildern sieht man ganz gut, wie karg die Landschaft ist – was sie nicht weniger schön macht. Wir genossen dies sehr und auch die damit einhergehende Stille in der Zighy Bay, einem wunderschönen Resort an der südlichen Ostküste. Neben einem kleinen einheimischen Dorf erstreckt sich das Gelände über die gesamte Bucht. Völlig abgeschieden, umrahmt von – wie könnte es anders sein – riesigen Geröllgebirgen, über die man auf abenteuerlichen, aber gut angelegten Wegen hoch- und wieder runtergurken muss, um in die „Zivilisation“ zurückzukehren. Eine wahre Oase mit Dattelpalmen (5 unterschiedliche Sorten), Granatapfelbäumen (die riesigen Dinger hängen an dünnen Ästchen von buschartigen Bäumen – man lernt doch immer dazu!), Feigen, Henna-, Zitronen, Orangen- und Olivenbäumen. Fleisch und Käse natürlich u.a. von den umherlaufenden Ziegen … und Dank Ramadan außerhalb unserer Hütte keinen Alkohol, aber darinnen schon, puhhh. Die Häuser niedrig, aus dicken, grob gehauenen Steinen und dunklem Holz in öko-trendigem, extrem durchdachten Style, ducken sich fast unsichtbar dicht nebeneinander in den Sand, direkt am Meer. Kein Plastik, viel Ton, Naturfarben, nur Palmenholzzäune, mit Seilen umwickelt. Wunderschön. Also Seelebaumeln pur und gesund wars auch noch!

Das nächste Mal dann Maskat und Bahla mit ein bisschen mehr Grün und ein bisschen mehr Menschen.

> Hier gehts zu den Bildern der Reise

* By the way, Babs, wir brauchen unbedingt das Rezept für Deinen genialen Lamm-Eintopf. DER schmeckt mir nämlich!

** Laila Al-Qadr – Die Nacht der Bestimmung: Diese Nacht sollte in den letzten zehn Tagen des Ramadân, vor allem in den ungeraden Nächten gesucht werden. „So verbringe diese Nächte mit Anbetungshandlungen wie rituellen Gebeten, der Qurân-Rezitation, dem Gedenken Allâhs, Bittgebeten und ähnlichen Anbetungshandlungen! Denn die Belohnung für das anbetende Dienen in dieser Nacht ist höher als die Belohnung für das anbetende Dienen in 1.000 anderen Nächten, unter denen sich Laila Al-Qadr nicht befindet.“
(Wikipedia)

*** Die Straße von Hormus (persisch ‏تنگه هرمز‎, Tange-ye Hormoz) ist eine an der schmalsten Stelle 30 Seemeilen (55 Kilometer) breite Meerenge, die den Persischen Golf im Westen mit dem Golf von Oman, dem Arabischen Meer und dem Indischen Ozean im Osten verbindet. Namensgebend ist die Insel Hormus, die im nördlichen Teil der Meerenge liegt. Sie liegt zwischen Iran und der omanischen Exklave Musandam. Seit der Antike ist die Straße von Hormus eine wichtige Schifffahrtsstraße. Durch sie verläuft der gesamte Schiffsverkehr von und zu den Ölhäfen Kuwaits, Katars, Bahrains, des Irak, der Vereinigten Arabischen Emirate und des Iran, dazu der größte Teil des saudi-arabischen Verkehrs. Da eine Sperre der Straße die Lieferungen von bedeutenden Teilen der Erdölgebiete im Nahen Osten blockieren würde, ist sie von weltweiter strategischer Bedeutung (ca. ein Viertel der globalen Ölversorgung).
(Wikipedia)

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