Göttliches Gleichgewicht

Die tägliche Lieblingsstelle ist eine Art Bäumchen, an dem ich morgens vorbeilaufe. Keine Ahnung, wie es heißt, aber er besitzt schöne Blüten, die sich täglich erneuern. Eine zartes Orange überzieht sie und die Blätter schmiegen sich in einer Weise symmetrisch umeinander, wie es nur die Natur schafft zustande zu bringen. Jeder Künstler und Architekt bedient sich dieser Symmetrie und kupfert sie mehr oder weniger gelungen ab. Und das Weniger kann dabei auch reizvoll sein.

Der „Wilhelmsturm“ ist ein Beispiel dazu, das Wahrzeichen der Stadt, in der ich aufwuchs. Er zog uns Kinder damals magisch an. Abgesehen von den unendlich, vielen geheimen Ecken, die es damals noch auf dem Gelände gab, auf dem er steht, rührte mich dieses Gebäude an und ist auch heute noch ein Ort, an dem ich mich, allein, wenn ich nur dort oben stehe, wundersam fühle. Mein alter Hausarzt aus Kinderzeiten klärte mich zufällig vor einigen Jahren darüber auf, was den Turm so einzigartig und auch so anziehend macht. Ihm persönlich gefalle es ja nicht, aber der Turm sei »epen halt so a-symmehhhtrisch«. Und es stimmt. Ich habe Fotos angeschaut, bin daraufhin drumherumgelaufen: Er ist tatsächlich asymmetrisch.

Also ich mags ja gerne ordentlich und somit tendiere ich, obwohl die Asymmetrie ja nicht, wie erwähnt, einem gewissen Reiz entbehrt, eher zur Symmetrie. Schon eine Freundin machte mich darauf aufmerksam, dass Fotos von mir meist eine Mittelachse enthalten, von der links und rechts alles gleich aussieht und eine Homöopathie praktizierende Ärztin riet mir dringend davon ab eine asymmetrische Frisur zu tragen, die ich (oh Graus) einst trug: »Nicht gut für das innere Gleichgewicht«. Gilt übrigens für jeden! Ich bin also ganz normal mit meiner Affinität zur Symmetrie. Ist ja auch logisch: Es entspricht der Natur! Auf Dauer fehlt es an Spannung, aber es beruhigt ungemein.

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