Naja, vielleicht manchmal

Des Mannes Passion: Arbeit. Es macht Spaß und es fliegen die Fetzen, so stehen neben seinen Fans traut die Gegner. Es mag daher schwierig sein nach 14 Stunden  hinabzusteigen zu den Niederungen der Familie mit den Problemen des Alltäglichen Wahnsinns. Was natürlich für mich und den Sohn überhaupt nicht einsichtig ist.
Im Moment ist Zentrum seines Denkens ein Fertigteilwerk für eine U-Bahnlinie, in dem sogenannte „Tübbinge“ erstellt werden, die später als Innenschalung den Tunnel der U-Bahn bilden. 450 Menschen arbeiten dort, was bedeutet, dass unglaublich viele Nationen hier beisammen arbeiten. Der Mann koordiniert: Iren, Engländer, Nepalesen, Pakistani, Indonesier, Kanadier, Deutsche, Österreicher, Schweizer, Tschechen, Ägypter, Syrer, Bulgaren, Belgier, Italiener, Libanesen, Nigerianer, Sudanesen, von der Führungskraft, über den Polier zum Coffee-Boy, alle mit ihren persönlichen Befindlichkeiten und geprägt mit kulturellen Hintergründen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Und alle wollen effektiv vereint werden. Eigentlich müsste der Mann ja ähnlich wie er morgens das Haus verlässt, auch abends wieder zurückkehren – das ist doch so, wenn man managt, oder? Aber dieser hier kommt heim, als hätte er im Sandkasten gespielt, nein, nicht Version „mit Förmchen gebacken«, eher die Variante »heute Dünen versetzt«. Sohn und ich wissen, wie der Abend wird, wenn er zur Tür hereinkommt: mal richtig gut gelaunt, mal spüren wir: „Er kündigt morgen.“ Bei Ersterem sollen wir dann noch mit auf den Souq gehen, oder schwimmen, oder ins Restaurant (um 20 Uhr!), bei Letzterem heißt es: Sohn ins Bett und gegebenenfalls zuhören, eher schweigen. War ich schon vorher (gab es je ein Vorher?) ein solch guter Taktiker?

Wie macht er das bloß, frage ich mich: Leuten beibringen, wie man die richtige Betonmischung herstellt, zeitgleich die Schrauben anziehen, zwischendurch lustige Vorträge vor Münchener Studenten halten und in der Freizeit für eine Handvoll deutscher Kinder den Nikolaus in der Wüste spielen. Und kochen tut er auch noch für uns. Ich muss zugeben, ich bin voller Bewunderung und ich sollte wohl definitiv wohlwollender sein.
Bin ich aber nicht. Naja, vielleicht manchmal.

amboss