Wüste Wiesn

Das vierte Jahr in Doha nun also im Blick. Wieder sind Menschen um uns herum mehr oder weniger plötzlich verschwunden, aus Katar und aus unserem Leben. Der erste Schock ist überwunden, neuer Tatendrang entsteht. Selbst der Verlust eines jahrzehntelangen Klienten scheint drei Tage nach Bekanntgabe überwindbar. Ein Loch entsteht, aber man kann es mit Neuem füllen, oder nutzt die Leere zur Besinnung.

Das Neue beinhaltet auch Überwindung. Ich fange mal klein an und besuche das hiesige Oktoberfest. Was soll ich sagen, es ist schaurig schön und ich plane die nächste Woche nochmal hinzugehen. Zwar ist das Betrachten von Dirndlpopos von Mitdreißigerinnen, die unter dem viel zu kurzen Röckchen hervorblitzen  – zumindest für mich – nur mäßig anregend und das Gebrülle „Oans, zwoa Gsuffa“ nichts wirklich Neues, doch die Faszination des Simplen ist nachgerade einfach umwerfend. Da wippt selbst der Bahlsche Fuß nach fünf Minuten „Heidi, deine Welt sind die Berge“ mit, und die Chauvi-Sprüche der aufführenden Oktoberfest-Band namens „Voigas“ aus Österreich werden geflissentlich ignoriert oder bestenfalls mit hochgezogener Augenbrauen kommentiert.
Tief durchatmen und weiter geht’s!

Noch vor einer Woche befand ich die Anwesenheit von 25 Leuten beim Gottesdienst als extrem beglückenden Erfolg, nun aber erschüttert mich die Erkenntnis, dass dieses Fest in Doha einzig und allein weil es „Oktoberfest“ heißt an jedem der 6 stattfindenden Abende 5000 Leute anzieht. Ein Kollege des Mannes (seine Frau war übrigens nicht anwesend) schockierte mich dazu noch mit der Aussage, dies sei das „Highlight des Jahres“, da „ja sonst nix los!“ wäre.
Ich starre ihn an und denke, als mein Mann strahlend mit ’nem Humpen Bier auf mich zukommt: DAS ist mein Highlight des Jahres … und zwar jeden Tag!
Oder hab‘ ich das etwa laut gesagt?

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