Dürfen darf man schon

Wenn ich morgens aus dem Haus gehe, dann wird mir das erste Mal am Tag bewusst, dass ich woanders bin. Der Geruch, der ist so anders, so leicht muffig von den Abgasen, so leicht feucht von der entstehenden Hitze. Die Vögel zwitschern auch anders, so tirilierend quietschend. Besonders einer der Doha-Birds, der White-Eared Bulbul, zwurzelt so und wiederholt nervenaufreibend die einzige Liedzeile, die er kann – fast wie der Sohn, der mit dieser Angewohnheit schon hiesige Lehrer während des Unterrichts fast zum Weinen brachte. Die Tauben gurren in etwas höherer Tonlage als in Deutschland, sie sind auch ein wenig schlanker. Das macht gewiss die Hitze.
Turtle Dove
White-eared Bulbul
Ein letzter Klaps und Kuss, dann fährt der Sohn Richtung Schule und mein Tagwerk beginnt. Die Zeit rast dahin und heuer hatte ich erstmals das Bedürfnis „raus“ zu müssen, wie man das hier ausdrückt. Denn aus der Stadt hinausfahren ist für keinen Expat „draußen“. Draußen heißt „außerhalb der arabischen Halbinsel“. Aber bevor ich diese für eine kleine Weile hinter mir lasse, freue ich mich über Besuch, der bald kommt. Es gibt viel zu sehen ma bige … auf den »Souq« müssen wir, klar, das »Villagio« durchlaufen, logisch, mit Mittagessen im »Torch« (hier gibt es ein drehendes Restaurant im soundsovielten Stock), die Wüste, selbstverständlich, chillen am Pool, lesen, quatschen … ja bitte! Das »Museum Islamische Kunst« und das »Mathaf Moderner Kunst« (habe ich selbst noch nicht gesehen, also wird es Zeit). Da wäre noch »Katara«, vielleicht nochmal der »Souq«, einmal reicht ja nicht. Der »Wholesale Market« ist auch sehr zu empfehlen und zu genießen. Besonders erstaunlich sind hier die Einheimischen, die im Markt mit ihren riesigen, weißen Landcruisern herumfahren, die engen Gassen blockieren und, wenn Ihnen etwas gefällt, halten, laut hupen und darauf warten bedient zu werden. Aussteigen? No way! Das ist übrigens auch bei Imbissen innerhalb der ganzen Stadt so Usus. Ein Fakt, den ich gerne in Deutschland mal sähe: Man hält vor dem Imbiss und hupt lange und laut, bis jemand herauskommt, ggfs. die Straße überquert, die Bestellung aufnimmt und die Ware dann auch noch bringt. Unvorstellbar! Hier allerdings gibt es in guten Imbissen sogar eine extra dafür vorgesehe Outdoor-Kraft, die diese Kunden betreut. 22 11
Achja, »Quad-Tour« in der Wüste darf auch nicht fehlen. Am besten in der Frühe, dann kann man noch die Ruhe genießen und muss keine Angst haben hinter der nächsten Düne überfahren zu werden. Und dann natürlich: staunen und selbst sehen, wie ein in weißer Dish-Dasha gekleideter Mann und seine vier unter ihren Abbayas versteckten, kichernden Frauen im Schlepptau, „Nein, Sohn, dass sind nicht seine großen Kinder“, an einem vorbeischweben, oder wie neben dem eigenen Wagen ein riesiger weißer SUV auftaucht, in dem eine völlig schwarz verhüllte Frau mit schwarzen Handschuhen am Steuer sitzt, die eine riesige schwarzen Brille auf der unsichtbaren Nase trägt und während der Fahrt in ein riesiges Handy hineinhackt. Oder wie einen ein Kamel nebenan auf der Ladefläche eines LKW gleichgültig anschaut. Spannend ist auch, die verschiedenen Muezzin-Rufe auseinanderzuhalten, die sich besonders donnerstags so disharmonisch und quarzig anhören, einen jedoch am Montag zu Tränen rühren. Im ständigen Klimawechsel von drinnen-nach-draußen-nach-drinnen zu leben ist auch immer wieder ein Erlebnis und bizarr ist auch, dass man sich lieber entscheidet warm angezogen herumzulaufen, als im Hemdchen, denn die Zeit draußen ist definitiv kürzer, als die Zeit drinnen und kurze Hosen und Tank-Tops geh’n ja gar nicht – also, d.h. dürfen darf man schon, aber machen macht man’s nich’.