Carpe Diem, Du Vollpfosten!

Fernsehen ist gar nicht so einfach hier. Eigentlich darf ich das nicht so verallgemeinern, denn es scheint so, dass alle deutschen Familien, außer uns, Programme von überallher empfangen, es sich abends beim Zweiten Deutschen Fernsehen oder den Öffentlich Rechtlichen gut gehen lassen und angeblich nie Probleme mit der Technik haben. Es muss also so sein, dass wir ein schlechtes Händchen für diese Dinge besitzen, so wie eine Freundin von mir, die nie Glück mit ihren Autos hat. Regelmäßig ist die Lichtmaschine (Lichtmaschine!) kaputt, Teile fliegen durch die Gegend, sie bleiben liegen … egal welche  Marke sie auch probiert.

Da wir nun seit Jahren auch schon in Deutschland aus pädagogischen Gründen (geltend für die Eltern wie fürs Kind) keinen Fernsehen mehr hatten, sind wir nun nicht unbedingt versiert in den technischen Möglichkeiten auch hier deutsches TV zu bekommen. „Join TV“ war der absolute Tipp, hier habe ich uns also angemeldet und kurz vor Vertragsabschluss nach Eingabe aller Daten festgestellt, dass man ein bestimmtes Gerät braucht zum Empfang, das kostenpflichtig ist, jedoch im Gegenzug nicht garantiert, dass es dann später 1. überhaupt ankommt und 2. auch funktioniert. Das war mir zu risikoreich, da bin ich eigen. Also: Online TV, kostenlos downzuloaden und ebenfalls empfohlen. Das hat dann allerdings Wochen gedauert, bis es funktionierte, da ich auf meinen Macs nicht die richtige Version des Betriebssystems hatte, diese erst bestellen musste, sie jedoch nicht mit WIFI (welches wir nur haben) laden konnte und warten musste, bis ich dies von Deutschland aus machen konnte. Jetzt könnten wir also, rein theoretisch, deutsches Fernsehen schauen. Dies wiederum gestaltet sich aber schwer, da die Verbindungen hier manchmal zu wünschen übrig lassen und es wahnsinnig mühsam ist die Programme durchzugehen, um zu gucken, was gerade läuft. Fernsehzeitungen studieren mögen wir gar nicht – dauert zu lange. Denn wir sind Familie Ungeduld.

So sind wir wieder zum DVD gucken zurückgekehrt, sowie zu Tatort und Herzkino. Die Videotheken von ARD und ZDF machen es möglich. Hierbei ist der große Vorteil, dass man die Sendungen schauen kann, wann man möchte. Aber eigentlich stimmt das auch nicht wirklich, denn der Jugendschutz in Deutschland erlaubt Krimis nur ab 20 Uhr, was für uns bedeutet, dass wir diese Filme im Sommer erst um eine Stunde verschoben nach hinten zur Ortszeit sehen dürfen. Das bedeutet dann im Winter: zwei Stunden nach hinten, und Tatort um 22:15, was wiederum zur Folge hat, dass wir wegen Müdigkeit nur die erste halbe Stunde richtig mitbekommen. Weiter gehts also erst in den nächsten Tagen nach 22:15. Arrgh. Da immer nur eine Woche in der Mediathek abzurufen ist, steht man auch noch unter Druck. Herzkino geht natürlich immer, aber das meist nur alleine. Ich riskiere ansonsten mitleidige oder angespannte Blicke des Mannes. Das macht dann auch keinen Spaß mehr. Der Sohn ist williger und verfolgt Liebesgeschichten mit erwachendem und nicht schwindendem Interesse.

Zu erwähnen wäre noch, dass selbst die Videotheken, beziehungsweise die Verbindungen zu diesen, oft des abends schlappmachen, da mehr als drei Leute hier via Internet ihren Abend verbringen und zocken, fernsehen, mailen, Daten transferieren … Dann erscheint in der Mitte des Bildschirms ein sich drehender Kreis, daneben steht „Fülle den Puffer“ und der Film läuft nicht weiter. Mittlerweile ist dies schon ein geflügeltes Wort in der Familie, ich bekomme ein schlechtes Gewissen (ich bin ja zuständig für die Internet-Technik) und entweder wir schalten gleich genervt ab oder integrieren die Situation gezwungen fröhlich ins Geschehen und nutzen sie, ähnlich der Werbepause, für wichtige Dinge wie Wein holen und Klogang. Achja, da gäbe es auch noch „Apple TV“, aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte … Hier heißt der adäquate Spruch „Privatfreigabe freigeben“ und führt – immerhin – zu hysterischem Gelächter. Erscheint diese Angabe auf dem Schirm, habe ich eine Minute Zeit, das Problem (das eigentlich keines ist, denn ich habe IMMER bereits schon vor Beginn des Filmes die „Privatfreigabe freigegeben“, was mir aber keiner glaubt) zu beheben. Gelingt es mir nicht, ist die Stimmung dahin, und ich werde zum hundertsten Mal aufgefordert „das Problem“ (welches Problem?) nun endlich einmal zu lösen.

Vielleicht ist „Privatfreigabe freigeben“ ja auch die ultimative Aufforderung sich dem privaten, analogen Familienleben zu widmen, eine automatische Sperre für das Gemeinwohl, für die Hinwendung zur Familie, à la „Kniffel mal wieder!“… ja, genau, und „Fülle den Puffer“ bedeutet „Nutze die Zeit!“, „Fülle die Leere in Dir!“. So muss es sein, jetzt habe ichs verstanden: „Carpe Diem, Du Vollpfosten“!

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