Ich bin dann mal beten

Den Jungs hatten wir versprochen gemeinsam zum Aqua-Park zu fahren: Riesenrutschen, Wasserstraßen, Pommes, Chickenburger und Cola – alles was das Herz zweier Elfjähriger begehrt. Wieder also reißen wir uns und unsere alten Körper zusammen und fahren mit einer Freundin und deren Sohn Richtung Wüste links, wo dieser Park zu finden ist.

„Noch nie war es so voll hier“, reklamiert, kaum angekommen, die Freundin. Kurz wird überlegt, ob wir wieder abhauen. Nein, da müssen wir durch. Kinder sehen das ja eh anders mit dem „Schlange stehen“. Sie geben sich dem Ausharren hin, immer das Ziel vor Augen. In diesem Fall: eine 30 Meter lange verzwurbelte Rutsche hinunterzusausen, am Ende in eine Art Zunge geschleudert zu werden und schreiend ins Wasser zu platschen.

Wie gut, dass wir keine Karten im Internet vorbestellt und gekauft haben. Diese Schlange ist länger als die der Sofortbezahler. Ebenso bei den Pommes. Ich frage nach, weil ichs erst nicht verstehe: Aha, die Leute mit den Gutscheinen müssen 30 Minuten anstehen, die mit Bargeld kommen gleich dran … Ein kleines Wunder.

Wir platzieren uns etwas ins hintere Eck, zwischen den offiziellen Lautsprechern und, wie sich später herausstellt, dem inoffiziellen Aufbau einer Riesenanlage, die zwischendrin arabische Klänge über den gesamtem Platz ertönen lässt. Dazu tanzen beleibte Männer und Kinder mit beindruckendem Hüftschwung. Ein ohrenbetäubender Lärm, der noch durch die amerikanische Luftwaffe verstärkt wird, die von ihrem Stützpunkt aus, gleich nebenan, über den Park hinwegbrettert. Wo fliegen die hin?

Wir sind geplättet.


Dann, wie wir es ja fast schon gewohnt, wird zum Gebet gerufen. Zufällig sitzen wir direkt hinter einer zunächst nicht erkennbaren Minimoschee mit Bambusdach und alle Männer strömen an uns vorbei dorthin und stellen sich auf. Im Schwimmbad? Ja, im Schwimmbad. Plötzlich ist es still. Die Moschee ist zu klein und direkt hinter der Freundin beginnt das Gebet. Es ist wirklich völlig irreal. Einige Frauen huschen da hinten auch herum. Linke Seite, Frauenseite. Hier stapelt sich niemand. Sie müssen sich wohl um die Kinder kümmern und haben Bet-Auszeit, oder warum?

Wir sitzen, leicht geniert im Badeanzug hinter den gottesfürchtigen Männern. Ich traue mich Fotos zumachen. Ich muss das einfach tun. Wie sonst könnte man beweisen eine solch absurde Situation zu erleben.

Dann, ein Raunen … alle stehen auf und gehen hastig zurück zu den Schwimmreifen und das Choas beginnt von Neuem. Faszinierend! Ich mutmaße, dass alle den Empfang für einen niederfrequenten Ton besitzen, den wir Ungläubige nicht haben …. ja, manchmal ist man auch ein bisschen zynisch. Aber es ist wirklich beeindruckend und erstaunlich, wie sehr die Religion im Alltag ihren großen Platz einnimmt. Man stelle sich das nur in Deutschland vor: Es wird 5x am Tag überall per Lautsprecher zum Gebet gerufen, an jeder Ecke, in Kaufhäusern, am Flughafen Kirchen und Räume, damit alle diese Gebete einzuhalten fähig sind. Was hier die Norm ist – bei uns undenkbar. Wir schauen da in der Tat nur ungläubig und wie der Mann gestern meinte, auch irgendwie neidvoll zu, denn leise spürt man den festen Zusammenhalt, der dadurch entsteht.
Leider geschlechtergetrennt, was es dann aus meiner persönlichen Sicht wieder unschön macht. Jedenfalls sieht man die Frauen nicht beten und nicht tanzen.

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Mann hat Spaß
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Links von uns
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Hinter uns
7
Rechts von uns