Head of Familiy

Durch die WM in 2022 stehen vielen Misslichkeiten im Land im Fokus und wenn die Entscheidung für Qatar in irgendeiner Weise „gut“ war, dann vor allem dafür. Es geht um schlechte Arbeitsbedingungen und Unterkünfte ausländischer Arbeiter und deren Möglichkeiten, bzw. Unmöglichkeiten innerhalb eines Arbeitsvertrages, oder vor einer bestimmten Zeit das Land zu verlassen. Diese Regelung betrifft jedoch nicht nur die Bauarbeiter , sondern  a l l e, die hier arbeiten und keine geborenen Qataris sind, egal ob sie kurz oder lang hier leben. Hier greift, wie in den anderen Golfstaaten auch, das System “Kafala“.Dieses System hat zum Teil geschichtlichen Hintergrund (Wer zu Beduinenzeiten das Land durchqueren wollte, brauchte einen einheimischen Beschützer, sonst hatte er keine Chance ohne Gefahr an Leib und Leben durchzukommen) und dient auch heute als eine Art Schutz, denn die Zahl der Einheimischen unterliegt der hier lebenden Ausländer  wesentlich (in Qatar gibt es weniger als 20% Einheimische). Das mag die Sache erklären, macht sie aber natürlich nicht besser und für die Zukunft müssen andere Lösungen gefunden werden. Qatar prosperiert und es kommen immer mehr Investoren, Arbeiter und Dienstleister aus dem Ausland, die ihre Kultur und Gewohnheiten mit ins Land bringen und es immer mehr verändern werden. Allein mit Verboten ist das nicht zu regeln.

Das System funktioniert so: Jeder eingereiste Ausländer, der hier arbeiten will, eine Firmen-Dependance hat, oder sich selbständig machen möchte (was sehr schwierig ist) benötigt einen Sponsor, d.h. jemanden, der für ihn bürgt. Umso höher angesehen der Sponsor ist (zum Beispiel jemand aus der weitläufigen Al Thani-Familie), umso besser für den Ruf und Stand der Firma. Kleinere Unternehmen und Selbständige können Kontakte zu Sponsoren  über Agenturen finden, die speziell dafür da sind und diese vermitteln. Da kann man natürlich auch leicht reinfallen. Wer begibt sich schon gerne in Abhängigkeit von jemandem, den man nicht kennt und der einen evtl. schnell wieder fallen lässt, wenn der Umsatz nicht stimmt, denn alle Sponsoren erhalten einen Teil der Einkünfte des Unternehmens. Man ist deshalb natürlich auch eher an finanzstarken Unternehmen interessiert. Bauarbeiter und Angestellte haben ihre Firma als  Bürgen. Ist es eine ausländische Firma, wird es hier auch immer  einen qatarischen Sponsor für die Firma geben. Man könnte es auch eine Art „Steuern“ nennen, die abgegeben wird, denn Sponsoren dürfen  n u r  Einheimische sein. Um das Land verlassen zu können, benötigt man die Erlaubnis des Sponsors, die sogenannte NOC („No Objection Certificate“). Ohne die geht nichts, nicht einmal ein Jobwechsel innerhalb des Landes. Ohne diese Erlaubnis muss man raus und darf erst nach zwei Jahren wieder einreisen, oder man bleibt drin und wartet bis man eine bekommt. Es ist also u.a. nicht ratsam einen Kredit hier aufzunehmen, oder andere Verbindlichkeiten einzugehen, denn solange diese nicht abbezahlt ist, oder beglichen sind, kann man das Land nicht verlassen, bzw. kann die Ausreise verweigert werden.

Das kleine Land, in dem es keine Steuerpflicht gibt, soll also auch von den Umsätzen im Land profitieren und es dient gleichzeitig der Kontrolle einer übermächtigen Anzahl von Ausländern gegenüber einer verschwindend geringen Anzhal von Einheimischen. Also prinzipiell keine schlechte Idee. Die damit verbundenen Verbote und Regelungen aus menschlicher Sicht sind jedoch nicht akzeptabel.

Natürlich gibt es innerhalb ausländischer Firmen, oder als Angestellter einer dieser Firmen weniger Probleme die NOC zu erhalten, es gibt auch Sonderreglungen und „Multiple Exit Permits“, die es erlauben ein- und auszureisen, wann man will. Aber man muss sie eben erst einmal bekommen und man bleibt immer abhängig von „good will“. Gibt es z.B. ungelöste Probleme auf einer Baustelle oder innerhalb der Firma kann jederzeit auch ein Ausreise-Bann auferlegt werden. Wann man gebannt ist, erfährt man aber erst, wenn man schon mit Koffern am Flughafen steht und ggfs. wieder zurückgeschickt wird. Unnötig zu sagen, dass die vielen Arbeiter und Angestellten hier kaum eine Möglichkeit haben, sich dieser starken Kontrolle zu entziehen, zumal es für die Meisten eine Existenzfrage ist zu gehen, oder zu bleiben. Zudem wird üblicherweise der Pass für die Länge der Vertragsdauer eingezogen. Keine Chance.

Ich musste übrigens meinen Sponsor gar nicht suchen, den haben Frauen nämlich ganz automatisch. Er heißt: „Head of Family“ und mit dem bin ich verheiratet. Das steht sogar in meinem Pass.

drm

 

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