Auf der Suche nach Typisch

9. März,  6 Uhr 34 morgens. Der Sohn liegt schon mal auf dem Sofa und braucht jetzt nur noch 10 Minuten um sich für die Schule fertig zu machen. Es regnet wie aus Kübeln, blitzt und donnert und ich fühle mich fast, nein, ich fühle mich wie zu Hause in Frankfurt. Wäre da nicht das Video, dass ich gestern abend gesehen habe, von einem fast ausgewachsenen Tiger, der in Doha auf der Autobahn verzweifelt herumlief. ”Typisch Katar“, lauteten die Kommentare: „Da hat sich wieder mal ein Scheich eine kleine Katze gekauft und dann ist sie einfach zu groß geworden“. Nach fast drei Jahren Doha frage ich mich: Was ist eigentlich typisch für Katar und was ist nicht? Und was ist vergleichbar mit Deutschland? OK, Tiger laufen wohl in Deutschland nicht so oft herum, aber das hier ist ja auch der erste, von dem ich höre.

Je mehr man ins Detail geht, ums schwieriger wird es herauszuarbeiten, was denn jetzt genau anders ist – mal ausgenommen Wetter, Taschentuchboxen auf dem Tisch, Abbayas, und vier Wochen Essens- und Trinkverbot in der Öffentlichkeit im Jahr. Leute, die kurz davor sind das Land zu verlassen, neigen dazu sich über Land und Leute zu beschweren, über die Einheimischen, die Ungerechtigkeiten, die schlechte Behandlung der Hausangestellten und Arbeiter, das Pseudo-Leben, die Unkultur… Kein „echtes“ Leben sei das und glücklich, der, der ’rauskommt … Wer hier verweilt, sagt das natürlich nicht. Und wenn, zurückhaltend, denn man möchte ja bleiben – schon allein des Wetters wegen …! Aber ist das typisch: das Unechte, Ungerechte?

Alle sind gleich, nur die Kataris sind gleicher. Das mag als typisch Katar gelten. Das zu akzeptieren fällt dem gemeinen Mitteleuropäer schwer, auch wenn es uns selbst an der Einsicht im eigenen Land mangelt, ausländische Besucher wären genauso gleich wie man selbst … Kann Willkür typisch sein? Da es nicht soviele Kataris gibt und wir ja alle brav sind, begegnet man dieser Willkür gottseidank nicht oft (außer vielleicht im Straßenverkehr ). Auch dass man Einheimische nicht schnell und nicht unbedingt kennenlernt, erschwert natürlich die Nachforschung, was typisch für Katar ist. Gastfreundlichkeit erfahren vor allem wohl die Männer, sonst wäre wohl ehrer Zurückhaltung und große Familienbezogenheit als typisch zu nennen.

Typisch also sind schonmal die strengen Gesetze, die vor allem für Expats gelten und eine daraus auch resultierende Sicherheit, die ich bisher nicht kannte.

> Tiger auf der Autobahn

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