Harmonie als Programm

Gestern erste geplante Kontaktaufnahme mit Expats: Coffee Morning im ”German House“ in Singapur. Ich bin gewappnet, also auf geht’s.

Ich gurke eine gute halbe Stunde durch die Stadt. Das ”Deutsche Haus“ liegt wunderbar gelegen an einer ruhigen Straße, als Eckhaus eines Gebäudekomplexes, das aussieht wie aneinandergeklebte Häuser aus dem Frankfurter Westend.
Im Laufe des Morgens versammelt sich eine Gruppe netter Damen, plus einem älteren Herrn, der sich als Präsident der ”German Association“ entpuppt. Herr Gumpert lebt seit über 50 Jahren in Singapore und ist randvoll mit unglaublichen Geschichten.

Die Geschichte des ”German House“ in Singapur beginnt schon Anfang des 18. Jahrhunderts. Die anwesende Redaktionschefin der Deutschen Zeitung ”Impulse Magazine“ schreibt wohl gerade einen Artikel dazu. Fotos werden herumgereicht, auch der Brief eines deutschen Expats an seine Familie zu Hause von 1929. Leider ist er 6 getippte Seiten lang und mir bleibt nur Zeit für ein paar wenige Zeilen. Er schreibt vom Wetter, den netten Menschen, dass alles ganz schön anders ist … soweit kann ich das schon bestätigen.

Die deutsche Community ist 4x so groß wie in Doha, und neben dem German House gibt es den dahinter stehenden Verein ”German Association“, die Botschaft, das Goethe-Institut, die Deutsche Schule (mit über 1000 Schülern und einem Sohn), German-Speaking Protestant Church in Singapore, German-Speaking Catholic Church St. Elizabeth,
German Academic Exchange Service (DAAD), Information Centre Singapore, German Institute of Science and Technology (GIST), Singaporean-German Chamber of Industry and Commerce (SGC), German Centre for Industry and Trade Singapore Pte. Ltd., German Association of Small and Medium-Sized Enterprises, und die Konrad-Adenauer-Foundation (KAS), sowie die Friedrich Ebert Foundation (FES) .

Alle hängen irgendwie zusammen und da in Singapur Ausgrenzung und rassistische Verhaltensweisen oder religiöse Bevormundungen auf Strafe verboten sind, gibt es null Verteiler-Probleme für die beiden deutschen Kirchen. Was mich besonders freut. Es gibt  Religion in der Schule, man arbeitet eng zusammen, wenn es um Schulgottesdienste und Veranstaltungen geht. Immer auch werden alle Termine in den Newslettern gegenseitig angekündigt. Wow!

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Masjid Sultan im arabischen Viertel

Hier ist es so: Moschee steht neben Hindutempel, buddhistischer Schrein neben riesigen Kirchen, die mit leuchtenden Kreuzen geschmückt sind, oder vor deren Gebäude der komplette Leidensweg Jesu in monumentalen Statuen dargestellt ist. Und dann erst wird sichtbar, wie viele ihren Glauben tatsächlich leben, denn alle dürfen!

Im Augenblick finden zwei große Herbstfeste statt: Zum einen das „Mid-Autumn Festival“ der Vietnamesen und Chinesen, das so eine Arte „Erntedankfest“ ist. Hier werden Unmassen an Mondkuchen verschenkt und gegessen – manchmal auch mit eingebackenen Bestechungsgeschenken (ist aber eigentlich verboten) und zum anderen ”Deepavali“ (auch ”Diwali“), das Lichterfest der Hindus, bei dem Gelb und Orange gekleidete, spärlich mit Tüchern umwickelte Männer barfuß durch die Straßen laufen, vornehmlich im indischen Viertel, wo der wichtigste Tempel der Hindus steht. Laute, eintönige Gesänge erfüllen die Gassen und es wird mit grünen Zweigen herumgewedelt. Man feiert den Sieg des Guten über das Böse. Bei beiden Festen spielen nächtens Lichtinstallationen und Laternen eine große Rolle, was wiederum allen anderen Singapurern ebenfalls Spaß macht.

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Diwali im indischen Viertel

Faszinierend: Die wichtigsten Feiertage aller großen Religionen und hier lebenden Völker sind auch Feiertage für alle anderen. Ostern und Weihnachten sind hier Nationalfeiertage. Schulen schließen und die Arbeit ruht für ALLE (Natürlich haben trotzdem alle Läden auf – aber die haben eh immer auf).

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Mid-Autumn in Gardens by the Bay

Es gibt sogar den ”Nationalfeiertag der Harmonie zwischen den Rassen“
Also, nicht, dass sich alle gerne harmonisch verhalten. Dazu ist der Mensch wohl zu sehr Mensch – aber ein Zuwiderhandeln verbietet sich nicht nur moralisch, sondern hochoffiziell. Die harten Strafen, die hier drohen, riskiert niemand. Dazu gehört u.a. die gefürchtete Prügelstrafe mit einem biegsamen Stock.

Der Vormittag ist rasch vorbei, um 12 Uhr mache ich mich auf den Rückweg und ins Abenteuer ”Unterwegs mit Bus und Bahn“ – ohne zu wissen, wo’s lang geht.

Links:
> Feiertage 2018

> Mondfest
> Deepavali

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Deutsches Haus in der Toh Tuck Road