Einkaufen beim Abfallhändler

Unsere letzten Wochen in Singapore haben begonnen. In knapp vier Wochen gehts zurück! Zur Liste von den Orten, die ich noch oder nocheinmal sehen will, gehörte auch  Hock Siong & Co. Pte Ltd. Hier war ich das erste Mal vor zwei Jahren und ich will unbedingt nocheinmal solch einen Fund machen wie damals, als ich ein wunderschönes Bild entdeckte, eingerollt und zusammengesteckt mit anderen Bildern in einem großen Eimer. Hock Siong sammelt und verkauft in einem offenen (nicht klimatisierten) Lager Trödel und Secondhand-Ware aus Hotels und Läden. Das geht von Antik bis Neuzeit, von hässlich bis wundervoll – Letzteres liegt natürlich im Ermessen des Betrachters. Mich interessieren jedoch vor allem Bilder und zwar die mit chinesischen Schriftzeichen, Landschaften und mythischen Gestalten.

Ich nehme mir Zeit und fahre mit dem Bus los. Niemals würde ich in Deutschland eine Stunde lang fahren, um zu einem Trödelladen zu kommen, und dann wieder eine Stunde zurück zu benötigen! Aber es herrscht Ausnahmezustand: Ich weiß, in diesem Laden sind Schätze zu finden und ich weiß, das wird das letzte Mal sein, dass ich dorthin fahre.

Ich suche und schwitze, entrolle und betrachte. Nach einer Stunde habe ich, was ich wollte: Sechs wunderschöne, oOriginal-Zeichnungen und -Aquarelle, die mir die Laune und den Tag versüßen! Mit den sehr netten Verkäuferinnen bin ich schnell ins Gespräch verwickelt, und mir wird erzählt, was auf meinen ausgesuchten Papieren steht: Da habe ich das Zeichen für „shòu“, das „Langes Leben“, „Hohes Alter“ bedeutet – das passt ja – dann finde ich diesen mit Schwung und Schwarz gemalten Mönch – ein sogenannter „Ghost buster“. Der spirituelle Reiniger wurde auf einer typischen, schmalen Papierfahne gemalt. An ein Rundholz angeklebt, lässt sich dieses Kunstwerk praktisch einrollen und transportieren. Ausgewickelt ist es ca. 2,5 Meter lang. „Very old – thirty years!“ versichert mir eine Mitarbeiterin. Fantastisch!

Das Aquarell mit den Kirschblüten erklärt sich von selbst (ein Teil der Four Seasons-Reihe: Spring), genauso wie das quietschbunte Landschaftsbild mit Papageien, Pandabären, Lotusblüten und Hasen – alles Glückssymbole. Was will man mehr?

Bei einem der Schriftzeichen werden gleich vier Angestellte zusammengerufen und alle zücken ihre Handys mit den Übersetzungsprogrammen. Eine wilde Diskussion entbrennt, denn der Künstler ist wohl allzu frei mit den Linien umgegangen. Schlussendlich ist das Rätsel gelöst: Es ist das Zeichen für „Dragon“, Symbol für Mut, Glück und Stärke schlechthin. Verblüffende Wahl, denn die Hälfte meiner Familie, inklusive mir, sind nach dem chinesischen Kalender „Dragons“!

Keine Ahnung warum man Hock Siong im Internet auch unter „Waste Dealer“ findet, denn das ist er wirklich nicht – aber so bleibt dieser wunderbare Ort wenigstens noch ein wenig länger ein Geheimtipp.